Promotionsprojekte

Das Virtuelle Zentrum für kultursemiotische Forschung informiert auf dieser Seite über Promotionsprojekte von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus dem VZKF-Netzwerk.

 

Michael Buhl (München):

Sprachreflexion, Sprachskepsis: Strömungen im deutschsprachigen Drama in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Abstract:

Das Projekt untersucht Dramentexte im deutschsprachigen Gebiet des Zeitraums 1800-1850. Die Kernfrage zielt darauf ab, inwieweit das Thema „Sprache“ in den Texten verhandelt wird. Hieran sollen sowohl Wandlungen innerhalb der Gattung selbst aufgezeigt werden, als auch die Position, die literarische Texte zu kulturellen, gesellschaftlichen und denkgeschichtlichen Veränderungen einnehmen. Hier sind vor allem die Etablierung der Sprachwissenschaft (Humboldt, Bopp, Grimm), die erhöhte Menge an Druckerzeugnissen (Schnellpresse) sowie die Nachkantische Diskussion zu nennen (Hamann, Herder). Trotz hoher konzeptioneller Heterogenität finden sich auffällig viele Dramen, die sprachreflexive Fragen aufwerfen. Dies führt zu einer teils enormen Potenzierung der Problematik, handelt es sich doch um einen schriftsprachlichen Text (Dramentext), der Mündlichkeit inszeniert (dialogische Form) um – implizit oder explizit – Sprache, und damit die eigene Gemachtheit, zu thematisieren. Um eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Bezugnahmen auf Sprache zu ermöglichen, wird ein theoretischer Zugang gewählt, der den semiotischen Pragmatismus von Charles Peirce mit dem Konzept konversationaler Implikaturen von Paul Grice verbindet. Auf diesem Wege lassen sich sowohl diverse Rückkopplungseffekte als auch nonverbales Kommunikationsverhalten adäquat beschreiben. Hiermit wird die Grundlage dafür gelegt, Wandlungsprozesse aufzuzeigen. Die bisherigen Befunde belegen deutlich, welche wichtige Rolle vor allem dem Verhältnis von Schriftlichkeit zu Mündlichkeit in den Texten zukommt.


 

Klaus Kerschensteiner (Passau)

Semiotisches Packungsmarketing –
Textanalyse als Mittel der strategischen Innovation

Packaging semiotics –
Text analysis as a means of strategic innovation management

Abstract:

Verpackung arbeitet an der Schnittstelle zwischen Produktpolitik einerseits, wo sie die Verbindung zum potenziellen Käufer herstellt sowie seinen Anforderungen gerecht werden soll und Kommunikationspolitik andererseits, wo alle Maßnahmen zur bewussten Gestaltung und Vermittlung von Informationen zur Beeinflussung von Zielgruppen gebündelt werden. Marketer im Verpackungsbereich suchen dabei im Rahmen des Innovationsmarketings nach neuen Methoden den kommunikativen Balanceakt aus semantischen Botschaften, syntaktischem Design und pragmatischen Verkaufsargumenten zu meistern und versprechen sich dabei Impulse aus der Semiotik. Packungen müssen den Adressaten fesseln, Werte und Botschaften vermitteln, gleichzeitig aber markeneigene Identität transportieren und kosteneffizient arbeiten.
Das Dissertationsprojekt analysiert die multimodalen Botschaften, Werte und Normen von Verpackungen mit der zentralen Annahme, semiotisches Marketing könne Verpackern eine ernst zu nehmende Innovationsalternative bieten. Dabei ist die Frage zu beantworten, welche Rolle semiotisches Packungsmarketing für die strategische Innovation einnehmen kann.

Packaging semiotics works right at the interface between the two P’s: product and promotion. Marketeers in the packaging industry anticipate the assistance of semiotics to generate innovation, considering that semiotics may bridge the communicative gap between semantic message, syntactic design and pragmatic sales argument. Packaging simultaneously needs to captivate the recipient, deliver values and transport corporate identity.
Therefore, the thesis focuses on the multimodal messages, norms and values of packaging. Its core thesis: semiotic marketing is serious innovation incubator. Hence, it is necessary to identify the role of semiotic packaging marketing in strategic innovation management.


Steffi Krause (New York):

Representations of Love and Family in Comtemporary German Film:
–On the Medial Present of Traditionally Intimate and Private Spheres –

/ Liebe und Familie im deutschen Gegenwartsfilm: Zur medialen Gegenwart traditioneller Intimsysteme und Privatsphären –

Abstract:

Die Dissertation untersucht die mediale Gegenwart der traditionell als ‹privat›, bzw. ‹intim› semantisierten Bereiche Liebe und Familie (Vgl. z.B. Rössler 2001, Sofsky 2007). Da Filme die Untersuchungsgrundlage darstellen, die Arbeit demnach mit dem Paradox der Privatheit im öffentlichen Medium konfrontiert ist, beziehen sich die Ausführungen auf die Frage nach der spezifischen Inszenierung, bzw. Semantisierung privater Räume (sowohl topologisch als auch abstrakt). Was wird in den Filmen also als ‹’privat›‘ etabliert, wenn ‚Privatheit‘ im eigentlichen Sinne nicht mehr gegeben ist?
Filmische Texte (Lotman) werden dabei als Wirklichkeitskonstruktionen verstanden, denen jeweils spezifische Regeln, Normen und Werte inhärent sind, welche jedoch nicht den außertextuellen Normen entsprechen müssen. Wenn Filme Modelle von Welt entwerfen, sind auch Liebe und Familie immer als Liebes- und Familienkonstruktionen zu verstehen. Werden diese mit Bedeutung gefüllt, etabliert sich ein intradiegetischer Idealzustand, der immer etwas ‹Gewünschtes› installiert, dem etwas ‹Nicht-Gewünschtes›, ‹Sanktionswürdiges› gegenübergestellt wird. Welche Verhaltensweisen werden also akzeptiert? Welche Handlungsmuster von den Filmen negiert und sanktioniert? Und wie konstatiert sich die filmische Sanktion; welche Werte und Normen werden darüber vermittelt?
Die Rekonstruktion der spezifischen Problemlösungsstrategien und ihrer Funktionalisierung für die Inszenierung privater Räume stellt eine erste zentrale Aufgabe dieser Untersuchung dar. Weiterhin sollen die konkreten, an diese Konzepte geknüpften, Werte und Normen herausgestellt werden. Die Analysen unterliegen dabei sowohl einem mediensemiotischen und narratologischen, als auch einem kulturwissenschaftlichen Ansatz, da die Rekonstruktionen aufgrund des seismografischen Charakters der Filme abstrahierte Aussagen über das gesellschaftliche Werte- und Normensystem Deutschlands zulassen. Die Studie hat folglich auch zum Ziel, eventuelle Strömungen und Tendenzen im Deutschland des beginnenden 21. Jahrhunderts zu identifizieren.


Annika Rockenberger (Oslo):

Editorial Pluralism: Analytical Studies on the Normative Framework of Modern German Textual Scholarship

Abstract:

Within my PhD project I concern myself with the descriptive reconstruction of the normative conditions of editorial praxis, that is, with the analysis of rational justification and critical evaluation of editorial aims, decisions, and actions. Heuristically assuming a (although partly restricted) methodological pluralism, and thus a relative incommensurability of editorial positions, I will examine the more or less explicitly stated conceptions and standards of contemporary German editions as well as their more or less consistent practical realisation. Moreover, I will reconstruct selected editorial controversies and critical reviews as modulations of an explicitly normative meta-discourse. At this point I will also employ tools of computational text analysis, citation analysis, and social network analysis. As for the focus of my study, I will not only take into account the normative foundations of ‘traditional’ (analogue) editions, but also endorse a critical perspective on the latest (digital) developments of the discipline. It is my objective to make a substantial contribution to editorial self-understanding—dwelling at the threshold of what is believed to be a sea change, caesura, or paradigm change of the editorial enterprise as a whole. With my overall descriptive approach I combine the following fields of interest: (a) the history, theory, and praxis of philology, esp. textual scholarship; (b) analytic philosophy (conceptual analysis, theory of practical reasoning and rationality); (c) digital humanities, esp. digital editing.


Amata Wagner (Passau):

(Un)Bewegte Kunst: Ekphrasis als intermediales Phänomen im Bedeutungssystem Film

 Abstract:

Obwohl sich Kunst, im Speziellen die Malerei, rein visuell rezipieren lässt, weckt sie scheinbar seit jeher das Bedürfnis, in Worte gefasst zu werden. Die literarische Beschreibung von bildender Kunst wird als Ekphrasis bezeichnet – ein Begriff, der seinen Ursprung in der Rhetoriklehre der griechischen Antike findet. Doch mit dem Einzug des Mediums Film, beginnend gegen Ende des 19. Jahrhunderts und sich fortan stetig weiterentwickelnd, eröffneten sich neue Möglichkeiten, Kunst auch auf filmischem Wege zu beschreiben. Das Dissertationsprojekt setzt sich zum Ziel, das Phänomen der filmischen Ekphrasis anhand eines ausgewählten Korpus zu erforschen, das neben prominenten Schlüsselwerken insbesondere neuere Filme über Kunst umfasst.

Dabei soll unter anderem untersucht werden, wie die Beschreibung eines statischen, visuellen Mediums in einem bewegten, audio-visuellen Medium semiotisch erfolgt und welche medienspezifischen Charakteristika dabei modifiziert werden oder ‚verloren gehen’. Der diesen Fragen zugrunde liegende Intermedialitätsdiskurs transferiert die Ekphrasis in eben diesen Kontext, verknüpft sie untrennbar mit der Thematik und führt zur zentralen Fragestellung, wie diese Beschreibung die filmische histoire beeinflusst. Grundlegende Forschungsfrage ist somit diejenige nach der narrativen Funktionalisierung von Ekphrasis im Medium Film.