Lehrveranstaltungsinformation Herbst 2018

 

ÜBERSICHT

 

Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens

Erzählte Liebe: Mediale Konstruktionen eines Gefühls vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Geschichte des Internationalen Films IV: Das Kino der Postmoderne

Kriminalgeschichten des 19. Jahrhunderts

Literarische Bildung I

Transitionen – (Filmische) Geschichten vom Ende der Kindheit

Kultursemiotik und Imagologie


DETAILINFORMATION

 

Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens

(2 SWS)          DI 12-14

Die Übung richtet sich an Studienanfänger*innen und soll in grundlegende Techniken wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens einführen. Sie beginnt mit der allgemeinen Erfassung und Abgrenzung wissenschaftlicher Textsorten und behandelt dann das Thema der Anfertigung wissenschaftlicher Hausarbeiten. Hierbei werden nicht nur die formale Anlage und der Aufbau besprochen, sondern auch die verschiedensten Techniken wie das Bibliographieren, das Konspektieren, das Exzerpieren oder vor allem auch das sinnvolle Gliedern, das richtige (wörtliche und sinngemäße) Zitieren und das Nachweisen von Zitaten eingeübt. Neben Hinweisen zur Fehlerkorrektur und den Bewertungskriterien wiss. Hausarbeiten rundet ein kursorischer Überblick über unterschiedliche Methoden in den deutschsprachigen Literaturwissenschaften das Lehrveranstaltungsprogramm ab.


Erzählte Liebe: Mediale Konstruktionen eines Gefühls vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart

In Literatur und Medien, die zentral von Liebesproblematiken handeln, ist Liebe nicht bloß ein emphatisches Gefühl, sondern ein semiotisches Konstrukt, das den Bedingungen kulturhistorischen Wandels unterworfen und in unterschiedliche diskursive Kontexte eingebettet ist. Als Grundlage partnerschaftlicher Beziehungen ist ‚Liebe‘ erst mit dem Subjektdiskurs der Goethezeit etwa ggü. dem bis dahin sozial vorherrschenden Konzept der Versorgungsehe zunehmend relevant geworden. Ob ‚Liebe‘ dabei z.B. als ‚Seelenverwandschaft‘, als ‚amour passion‘ oder als ‚amour fou‘ auftritt, welche Liebe literarisch ‚realisierbar‘ ist und welche nicht, welche Partnerkonstrukte und Geschlechterkonzeptionen damit korreliert sind, welche sozialen Problematiken an die Liebe semantisch angelagert werden (z.B. die deutsche Teilung in Arno Surminskis Polninken im Kontext des Kalten Krieges) und inwieweit jeweils Sexualität diskursfähig ist, ist Indikator grundlegender kultureller Formationen des Denkens, Wissens und sozialer normativer Akte. In Fragmente einer Spache der Liebe hat Roland Barthes die Figuren der Rede über Liebe re- bzw. dekonstruiert und zeigt so die zentralen Muster der literarischen Liebe auf. Im Seminar sollen zentrale Positionen dieses Diskurswandels an einigen literarischen und filmischen Texten exemplarisch analysiert werden. In Gruppen übernehmen Sie ‚Lektürepatenschaften‘ für einen der Texte und präsentieren diesen kurz.

Texte u.a.:

Johann W. Goethe, Die Leiden des jungen Werthers; Friedrich Schlegel, Lucinde; E.T.A. Hoffmann, Der Sandmann; Gottfried Keller, Romeo und Julia auf dem Dorfe; Knut Hamsun, Pan; Robert Musil, Die Vollendung der Liebe; Sybille Berg, Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot; Daniel Glattauer, Gut gegen Nordwind; Spike Jonze, HER.


Geschichte des Internationalen Films IV: Das Kino der Postmoderne

(4 SWS)          MO 16-20 4-stündig, wöchentlich

Diese 180-minütige Vorabendveranstaltung (16:00 s.t. – 19:00 s.t.) widmet sich ‚Klassikern’ der Filmgeschichte mit semesterweise unterschiedlichen historischen, kulturellen bzw. thematischen Schwerpunkten. Ziel ist nicht eine Kanonbildung künstlerisch besonders herausragender Werke, sondern ein Überblick über Filme, die das Medium oder ein Genre nachhaltig beeinflusst haben, die als repräsentativ für Entwicklungen und Tendenzen in der Filmgeschichte gelten können bzw. die in ihrer Zeit typische Diskurse/Themen verhandeln und inszenieren.

Thema sind in diesem Semester mit internationalen Filmen des postmodernen Kinos, dessen Grundlagen zunächst am Beispiel eines frühen Klassikers, Michelangelo Antonionis Filmrätsel Blow up (GB 1966), erschlossen werden, einige der wohl prägendsten Filme der Geschichte des Mediums. Mit ihrer Tendenz zur Intermedialität, zur Auflösung von Genregrenzen sowie zur Infragestellung und Subversion von Konventionen des Erzählens und zur philosophischen Dekonstruktion von ‚Bedeutung’ im semiotischen Sinne sind diese Filme hochgradig selbstreflexiv und spielen mit den Bedingungen und Möglichkeiten filmisch-narrativer Konstruktionen von ‚Welt’ und von ‚Identität’. Sie werden hier entweder auf visuell und narrativ überwältigende Filme treffen, wie Sie sie noch nie gesehen haben, oder, wenn Sie cineastisch veranlagt sind, auf die Filme, die die heutige Filmkunst wesentlich geprägt haben.

Filme: Michelangelo Antonioni, Blow up; Roman Polanski, Chinatown; Peter Greenaway, Z00; Jim Jarmusch, Mystery Train; David Lynch, Blue Velvet; David Lynch, Twin Peaks – Fire walk with me; Robert Altman, Short Cuts; Quentin Tarantino, Pulp Fiction; Eduardo Sánchez/Daniel Myrick, Blair Witch Project; Andy & Lana Wachowski, Matrix; Sofia Coppola, The Virgin Suicides; Hendrik Handloegten, Paul is dead; Joel & Ethan Coen, Barton Fink; Wes Anderson, Moonrise Kingdom, Todd Haynes, I’m not there.

Einführungsliteratur: Filmsemiotik: Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate von D. Gräf, S. Großmann u.a. (in meinem Dauerapparat in der ZHB).


Kriminalgeschichten des 19. Jahrhunderts

(2 SWS)          MO 10-12

Als eigenständiges Genre konstituiert sich die Kriminalliteratur erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Im Seminar soll ihre Genese seit Friedrich Schillers Initialtext Verbrecher aus verlorener Ehre (1786) und die jeweilige Funktionalisierung der Darstellung von Verbrechern und Kriminalität im kulturell-literarhistorischen Kontext von der Goethezeit bis zur Moderne rekonstruiert werden. Zentrale Fragestellungen lauten: In welchem Verhältnis werden hier je kulturspezifisch Individuum und Gesellschaft entworfen, wie wird der Zusammenhang von Norm, kriminalisierter Abweichung und gesellschaftlicher Sanktion konstruiert, welche Verhaltensweisen werden dabei im Einzelnen kriminalisiert, welche Anthropologie und Motivation des Verbrechers entwerfen die Texte, welche Erzählstrategien zur literarischen Darstellung von Kriminalität werden instrumentalisiert und welche ästhetischen Konzeptionen kommen zum Tragen? Im Sonderfall der Rätselstruktur in der Detektivgeschichte rücken zudem die Figurenkonzeption des Ermittlers sowie die Analogien von dessen Methoden der Zeichensuche bzw. -deutung und der Hypothesenbildung über Täter und Tathergang mit der Vorgehensweise bei der wissenschaftlichen Analyse und Interpretation in den Blickpunkt.

Texte:

Friedrich Schiller, Verbrecher aus verlorener Ehre (Reclam); E.T.A. Hoffmann, Das Fräulein Scuderi (Reclam); Georg Büchner, Woyzeck (Reclam); Hermann Kurz, Die blasse Apollonia (PDF-Datei); Edgar Allan Poe, Der entwendete Brief (PDF-Datei); Theodor Fontane, Unterm Birnbaum (Reclam); Paul Lindau, Verbrechen oder Wahnsinn (PDF-Datei); Gerhard Hauptmann, Bahnwärter Thiel (Reclam); Fritz Lang, M – Eine Stadt sucht einen Mörder


Literarische Bildung I

(2 SWS)          DO 10-12

An Beispielen unterschiedlicher Gattungen und Epochen werden methodische Grundlagen der literaturwissenschaftlichen Textanalyse und literarhistorischen Periodisierung gemeinsam erarbeitet. Zentrale Fragestellungen sind u.a.: Was ist Literatur? Wie konstituiert sich ‚Bedeutung’ in literarischen Texten? Inwiefern sind gattungsspezifische Merkmale und Konventionen dabei relevant? Wie vollzieht sich literarisch-ästhetischer Wandel und wie verhält sich dieser zu nicht-literarischen kulturellen Kontexten? Inwiefern vermittelt Literatur je epochentypische Modelle etwa von der ‚Welt’, von ‚Gesellschaft’, ‚Gender’, von anthropologischen und sonstigen Konzeptionen kulturellen Denkens und Wissens? Außerdem ist von besonderem Interesse, wie Literatur über erzählte Prozesse Normen, Werte und Ideologien kommuniziert und welche Strategien der Vermittlung dabei zum Tragen kommen.

Literatur zur Einführung:

Matias Martinez / Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie.

Anita Schilcher / Markus Pissarek (Hg.): Auf dem Weg zur literarischen Kompetenz: Ein Modell literarischen Lernens auf semiotischer Grundlage.

Anzuschaffende Primärliteratur:

J.M.R. Lenz, Die Soldaten; Arthur Schnitzler, Traumnovelle (beide Reclam).


Transitionen – (Filmische) Geschichten vom Ende der Kindheit

(2 SWS)          DO 12-16 4-stündig, 14tägig alternierend mit KSM

Initiations’-/‚Bildungsgeschichte’, ‚Coming-of-Age-Story’ oder allgemeiner: ‚Entwicklungsgeschichte’ sind unterschiedliche Bezeichnungen und Genrezuschreibungen für einen der bis in die Gegenwart prominentesten Erzähltypen in der Geschichte narrativer Medien. Er verhandelt das anthropologische Modell einer Schwellenphase des Übergangs von der späten Kindheit/Jugend zum Erwachsenenalter, in dem sich (seit goethezeitlicher Auffassung) die Heranbildung des Subjekts zu einer mehr oder weniger autonomen Persönlichkeit vollzieht, und die mit einem entscheidenden Zugewinn neu erworbener Fertigkeiten, dem Einblick in dem Kind bis dahin nicht zugängliche Wissens- und Erfahrungsbereiche (nicht zuletzt der Sexualität) und somit mit fundamentalen Erkenntnisprozessen einhergeht.

Der Fokus der Veranstaltung liegt nach einer Einführung in das goethezeitliche Bildungs-/Initiationsmodell auf Erzählungen vom Übergang von der Kindheit zur Jugend/Pubertät und den in diesem Kontext narrativierten Problemkonstellationen. Erst mit der kulturellen Aufwertung und romantischen Verklärung von ‚Kindheit’ als etwas unwiederbringlich Vergangenem wurde dieser Übergang auch als eine Verlusterfahrung semantisiert. Geschichten erzählen von der späten Kindheit und beginnenden Pubertät häufig als einer Zeit der Geheimnisse, des Abenteuers und der Gefahr, in der das Individuum noch nicht auf eine ‚Persönlichkeit’ festgelegt ist und sowohl ‚Selbstfindung’ als auch ‚Selbstverlust’ als Varianten des möglichen Ausgangs bestehen. Denn die ‚Schwelle’, der ‚Übergang’ zwischen zwei Seinsbereichen ist per se ein Raum außerhalb der Ordnung, eine Chrono-Heterotopie des Ungewissen, die das noch im Werden begriffene ‚Individuum’ auf eine existenzielle Probe stellt. An Beispielen aus den 70er-Jahre-Serien Neues aus Uhlenbusch und Rappelkiste soll dabei zunächst verdeutlicht werden, wie sich das Erzählen von Kindheit demgegenüber heute grundsätzlich verändert hat.

Filme z.B.: NEUES AUS UHLENBUSCH; Rob Reiner; STAND BY ME; Claude Pinoteau, LA BOUM – DIE FETE; Hendrik Handloegten, PAUL IS DEAD; Wes Anderson, MOONRISE KINGDOM; Thomas Alfredson, SO FINSTER DIE NACHT, Jordan V. Roberts, KINGS OF SUMMER; Theodore Melfi, ST. VINCENT, Sofia Coppola, THE VIRGIN SUICIDES; Richard Linklater, BOYHOOD.


Kultursemiotik und Imagologie

(2 SWS)          DO 12-16

4 stündig, 14tägig alternierend mit „Geschichten vom Ende der Kindheit“

Das Seminar führt an literarischen Beispielen in grundlegende Aspekte der kultursemiotischen Analyse und der Imagologie (also der kulturwissenschaftlichen Disziplin, die sich mit kulturellen Selbst- und Fremdbildern beschäftigt) mit einem Schwerpunkt auf ästhetischen Konstrukten von Räumen ein. Dabei werden zentrale theoretisch-methodologische Lektüren mit deren raumsemiotischen Konzeptionen (z.B. ‚semantischer Raum’, ‚Heterotopie’, ‚Nicht-Ort’, ‚Third Space’) gemeinsam erarbeitet und für die Analysepraxis fruchtbar gemacht. Darüber hinaus sollen unter der imagologischen Perspektive Bilder und Semantiken von Räumen des ‚Eigenen’ bzw. ‚Fremden’ untersucht werden. Die Bereitschaft zur Übernahme von kürzeren Referaten wird vorausgesetzt.

Texte u.a.: Johannes V. Jensen, Wälder; Thomas Mann, Der Tod in Venedig.